Über

Koffermenschen

Zum Projekt

 

Stellen Sie sich bitte vor, Sie sollten einen Koffer packen, um sich auf einen Aufenthalt außerhalb Ihrer gewohnten Umgebung vorzubereiten.

Kein Problem, werden viele antworten, das mache ich doch jedes Mal, wenn ich in den Urlaub fahre.

Schon richtig, aber das wesentliche Merkmal bei diesen Ereignissen ist, dass man diesen Koffer für eine sehr begrenzte Zeit nur packt und man danach zu all den persönlichen Dingen, die man zu Hause gelassen hat, zurückkehrt.

Diese luxuriöse und entspannte Situation finden Flüchtlinge nicht vor. Sie sind zumeist genötigt, in sehr kurzer Frist ihre Abreise vorzubereiten; sich innerhalb kürzester Zeit entscheiden zu müssen, welche Dinge sie in den Koffer packen (wobei es sich nicht um eine wirklich freie Entscheidung handelt); sich von vielen Dingen zu trennen und zu verabschieden, von Dingen, die ihr Leben begleitet haben und die prägend waren.

Es bleiben Erinnerungen und Ungewissheit.

Erinnerungen an das Leben, das sie bislang eingebettet in ein soziales und wirtschaftliches Umfeld geführt haben, an Familie, an Heim und Heimat. All das müssen sie hinter sich lassen, mit der allergrößten Wahrscheinlichkeit, nie wieder Zugang dazu zu haben.

Ausgestattet mit einem Koffer der letzten Habseligkeiten begeben sie sich in das Unbekannte, in fremdes Land, dessen Sprache man nicht beherrscht, dessen kulturelle und gesellschaftliche Gepflogenheiten zumeist ungelernt sind.

Menschen, reduziert auf ein Behältnis der Habseligkeiten: Koffermenschen.

Doch sie bringen natürlich viel mehr mit. Sie bringen ein Leben, eine Kultur, ein Wissen und Fähigkeiten mit, von denen andere wieder profitieren können. Geben wir diesen Menschen die Möglichkeit, uns ihren Koffer ihres Lebens zu öffnen und anzubieten.

Genau diesen Gedanken hat sich das Flüchtlingsprojekt „Koffermenschen“ der Künstler Gerd Rehpenning und Peter Kühn verschrieben. Sie möchten Aufmerksamkeit, Bewusstsein und ein Forum für diese entwurzelten Menschen auch mit den Mitteln der Kunst erzeugen, mit der Chance einer neuen Ankunft in einem noch fremden Land, das dadurch eines Tages auch ein Zuhause werden kann. Ein Schritt zur Integration.

Das Projekt kann in drei Phasen unterteilt werden, die sich zeitlich auch überschneiden: Erste Phase ist das Skulpturenprojekt. Der Holzbildhauer und Maler Gerd Rehpenning aus Mulsum wird dreißig Holzskulpturen, nämlich Koffermenschen, erschaffen. Diese werden in einer großen Präsentation der Öffentlichkeit vorgestellt. (Zeitschiene: Ende April). Nach der Präsentation werden die Skulpturen in der Öffentlichkeit an markanten Stellen mit deutlichem Publikumsverkehr aufgestellt, mit einer Projekterklärung. Es wird ein Bewusstsein erzeugt zur aktuellen Flüchtlingssituation im Sinne des Gedankens: Es geht nicht um die Diskussion, ob Flüchtlinge aufgenommen werden sollten, also einer Zukunftsbetrachtung, sondern um den Fakt, dass diese Menschen bereits unter uns sind und darüber eine allgemeine Wahrnehmung und Akzeptanz erreicht werden muss.

Die zweite Phase umfasst ein Theaterprojekt unter der professionellen Leitung des Regisseurs Peter Kühn. Es soll eine Gruppe von 15-20 Flüchtlingen gebildet werden, die ein Theaterstück erarbeitet, das sich durch hohe Authentizität und Direktheit auszeichnet. Keine Anklagen, keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen, sondern Lebensbeschreibungen der Flüchtlinge, die uns Kultur, Lebensumstände und Personen näher bringen. Das Bühnenbild werden die dreißig Skulpturen bilden. Koffermenschen treffen auf Koffermenschen. Die Probenarbeit beginnt möglichst im Sommer, im Spätherbst soll das Theaterprojekt der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Die dritte Phase, das sogenannte Lernprojekt, wird ein eigens für die Teilnehmer des Theaterprojektes eingerichteter Deutschkurs unter fachlicher Anleitung sein. Hier soll den Teilnehmer die Möglichkeit geboten werden, sich besser in der noch fremden Umgebung zu Recht zu finden.

Das gesamte Projekt soll dokumentiert werden. Es wurde eigens hierfür diese Internetseite eingerichtet. Außerdem soll das Projekt auf Wanderschaft gehen, d. h., nach dem gleichen Muster, aber mit Flüchtlingen und Anleitern vor Ort kann es bundesweit in den verschiedensten Orten und Städten durchgeführt werden. Von Stade aus wird dann nur noch die Projektleitung erfolgen.

 

Das Projekt kann einen erfolgreichen Verlauf aufzeigen.

Im Juni 2016 konnten die Theateraufführungen von "Koffermenschen - Imagines" gezeigt werden.

Vor immer ausverkauftem Haus beeindruckten die teilnehmenden Flüchtlinge das Publikum nachhaltig und machten auf die besondere Problematik im Umgang mit ihren Schicksalen aufmerksam. Im Anschluss an die Aufführungen kam es zu vielen Gesprächen des Publikums mit den "Schauspielern".

 

Um die Nachhaltigkeit des Projektes weiter zu fördern, gehen die Skulpturen weiterhin auf Ausstellungswanderschaft.

Aber auch die szenische Arbeit wird fortgesetzt. Aus dem Material des Theaterstücks wird eine eigene Umsetzung als Film erarbeitet. Dieser Film , bzw. Ausschnitte aus dem Film, können dann die Ausstellung auch begleiten, wenn die Möglichkeit der Aufführung des Theaterstücks aus verschiedenen Gründen nicht gegeben ist.

Auch die filmische Umsetzung wird wieder mit erheblichen Mitteln der Hanns-Lilje-Stiftung (www.lilje-stiftung.de) und der Landeskirche Hannover gefördert.

 

Im März 2017 ist das Projekt Koffermenschen in die schwedische Stadt Karlshamn eingeladen.

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